Die Corona-Krise 2020 hat die Welt in vielerlei Hinsicht aus den Angeln gehoben. War Home-Office in vielen traditionellen Branchen kaum denkbar, hat die Corona-Krise vielen Managern aufgezeigt, dass virtuelles Führen von Mitarbeitern im Home-Office besser funktioniert als man geglaubt hatte. «Remote Leadership» ist seitdem zu einem stehenden Begriff geworden. Interessanterweise können viele Vertriebsführungskräfte auf eine jahrelange Erfahrung im Umgang mit Mitarbeitern, die sie nur selten persönlich zu Gesicht bekommen, zurückgreifen. Sie mussten schon immer Mitarbeiter über Distanz führen, die in Projekten beim Kunden vor Ort eingespannt sind oder im Flächenvertrieb ihre Kunden besuchen. Remote Leadership stellt Führungskräfte allerdings vor einige spezifische Herausforderungen.


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Was anders läuft

Es ist nicht nur der formelle Austausch zwischen Führungskraft und Mitarbeiter in Meetings oder One-to-Ones, der verstärkt virtuell abläuft. Hinzu kommt, dass es kaum noch Möglichkeiten informeller Begegnungen zwischen Führungskräften und Mitarbeitern am Kaffeeautomaten oder beim gemeinsamen Betreten der Mensa gibt. Stattdessen sind fast alle Interaktionen geplant und folgen einer mehr oder weniger vorgegebenen Struktur. Damit gehen wichtige Gelegenheiten der Beziehungspflege verloren.

Vertrauen kann in einer solchen Konstellation zur Herausforderung für beide werden. Führungskräfte müssen hoffen, dass ihre Mitarbeiter die gewünschte Arbeitsmoral, -effektivität und -effizienz an den Tag legen. Produktivitätsmessungen sind lange nicht in allen Branchen und Bereichen möglich. Mitarbeiter müssen darauf vertrauen, dass ihre Chefs sich für sie einsetzen und sie unterstützen, wenn es nötig ist. Kommt hinzu, dass noch immer nicht alle Mitarbeiter und Führungskräfte sich im Umgang mit Videokonferenz-Systemen und E-Mail-Kommunikation gleichermaßen wohlfühlen. Dabei kommt dem Informationsaustausch in Zeiten eingeschränkter physischer Nähe zentrale Bedeutung zu.

Was erfolgreiche Remote Sales Leader besser machen

Die amerikanische Personalberatung Zenger Folkman hat bereits vor der Corona-Pandemie eine bemerkenswerte Vergleichsstudie durchgeführt. Hierzu hat sie die Antworten zu einem 360-Grad-Assessment von 99 Mitarbeitern, die remote geführt wurden, mit den entsprechenden Antworten von 119 Mitarbeitern verglichen, deren Chefs ihnen physisch nah waren. Überraschenderweise erhielten die Führungskräfte, die ihre Mitarbeiter über Distanz führten, signifikant bessere Beurteilungen ihrer Mitarbeiter als ihre Kollegen, die den Mitarbeitern physisch nahestanden (Folkman 2020). Mehr noch: die remote geführten Mitarbeiter engagierten sich stärker für ihre Aufgabe als die Mitarbeiter der Vergleichsgruppe.


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Aus den Erkenntnissen dieser Studie, deren Ergebnisse selbstverständlich nicht einfach verallgemeinerbar sind, die sich jedoch weitgehend mit den Erfahrungen einiger unserer Coachees aus dem Vertriebsmanagement decken, lassen sich einige Empfehlungen für das Führen von Key Account Managerinnen und Key Account Managern über Distanz ableiten.

KAM-Verantwortlichen, die ihre Mitarbeiter noch mehr als früher über Distanz führen müssen, empfehlen wir:

  • den Kontakt zu ihren Mitarbeitern proaktiv suchen und auch online einen sogenannten High-Touch-Stil Das bedeutet beispielsweise nicht nur dann den Kontakt zu Mitarbeitern zu suchen, wenn sie etwas Konkretes von ihnen brauchen, sondern sich auch für ein „privates“ Gespräch Zeit zu nehmen. Empathisches Verhalten schafft Nähe über Distanzen hinweg.
  • in virtuellen Meetings oder am Telefon aktiv zuhören, nicht abgelenkt, sondern bewusst präsent Auch über den Bildschirm wirken wir. Deshalb ist es wichtig, die Kamera ab und an, idealerweise dauerhaft, einzuschalten. Körperspannung, feste Stimme und Augenkontakt – so weit möglich – vermitteln auch online Präsenz.
  • ihre Mitarbeiter befähigen selbständig zu handeln und eigenmächtig notwendige Veränderungen in ihren Arbeitsabläufen vorzunehmen.
  • an sich selbst den Anspruch stellen, im Umgang mit den technischen Möglichkeiten von Videokonferenz-Systemen (wie Chat Rooms, Whiteboards, Umfragen oder Break Out Rooms) versiert zu sein und ein Gespür für den richtigen Umfang und die geeignete Frequenz von Online-Meetings zu haben.
  • Mitarbeiter dazu animieren auch mit Kollegen anderer Abteilungen und Bereiche virtuell in Kontakt zu treten und zusammenzuarbeiten.

Als wesentlicher Stellhebel für den Führungserfolg über Distanz hat sich Klarheit und Transparenz im Hinblick auf das große Ganze – den Purpose, die Mission, die Vision und die Strategie – gezeigt. Entscheidend ist, nicht nur strategische Ziele und Vorgaben den Mitarbeiter zu vermitteln, sondern im kommunikativen Austausch auch sicherzustellen, dass die Strategie allen bekannt und bewusst ist (Müllner/Müllner 2020).


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Nicht nur in Krisenzeiten psychologische Sicherheit vermitteln

Menschen benötigen Sicherheit, Bindung und Nähe. Vertriebsführungskräfte, deren Key Account Manager mehr denn je im Home-Office arbeiten sind gefordert, diese für die emotionale Stabilität wichtigen psychologischen Bedürfnisse zu befriedigen. Die abschliessenden Punkte fassen persönliche Gespräche mit Führungskräften zusammen, die seit Jahren virtuelle Teams führen. Sie gibt Anregungen, wie man mit einfachen Maßnahmen Orientierung schafft, das Selbstwirksamkeitsempfinden erhöht und das Zusammengehörigkeitsgefühl steigert (Müllner/Müllner 2021):

  • Schaffen Sie Klarheit, in dem Sie Ihre Erwartungen an die virtuelle Zusammenarbeit kommunizieren. Dies kann durch das Festlegen von Home-Office-Regeln wie beispielsweise der Startzeit am Morgen, Kernarbeitszeiten, Antwortzeiten auf Emails oder Offline-Zeiten erfolgen. Damit diese Regeln von allen mitgetragen werden, sollten Sie sie gemeinsam im Team entwickeln.
  • Kommunizieren Sie regelmäßig und transparent an alle Teammitglieder. Denn als Führungskraft fungieren Sie als Verbindungsglied und Sprachrohr des Unternehmens zu den Mitarbeitern. Entsprechend sollten Sie die Rolle eines Vernetzers übernehmen und Mitarbeiter mit Kollegen verbinden, die an ähnlichen Projekten arbeiten oder nützliches Know-how aufweisen.
  • Planen Sie Teammeetings zu festen Terminen Als hilfreich hat es sich erwiesen, vorab gemeinsame Gesprächsregeln festzulegen, wie etwa die maximale Redezeit oder die Einigung darauf, andere ausreden zu lassen oder konstruktiv zu kritisieren. Protokolle sorgen für mehr Klarheit.
  • Sorgen Sie dafür, dass auch die Ruhigeren zu Wort kommen. Unsere Erfahrung zeigt, dass persönliche Off-Topic-Eröffnungsfragen oder auch überraschende Eisbrecherfragen eine Atmosphäre schaffen, in der sich introvertierte Mitarbeiter aktiver an der fachlichen Diskussion beteiligen.
  • Auch im Home-Office schaffen Vier-Augengespräche Bindung und Vertrauen. Im Idealfall finden diese einmal pro Woche per Video-Konferenz statt. So erkennen Sie Signale der non-verbalen Kommunikation und bekommen ein Gespür für die emotionale Befindlichkeit Ihrer Mitarbeiter.
  • Starten Sie One-to-Ones hin und wieder mit Persönlichem und lassen Sie es nicht zu, dass diese Vier-Augengespräche ausfallen.
  • Fördern Sie Team Chats auch zum bewusst unproduktiven Austausch und halten Sie ab und an virtuelle Mittagspausen, Kaffeeklatschs und Apéros ab. Damit stärken Sie das Zugehörigkeitsgefühl untereinander.

Selbstreflexion:

Entwickeln Sie Ihre eigenen Gedanken zur hybriden Führung Ihrer Key Account Manager:

  • Was können Sie aus Ihrer eigenen Erfahrung der Führung über Distanz für das Key Account Management im sogenannten New Work nutzen?
  • Bitte vergleichen Sie gut gelaufene und weniger gut gelaufene virtuelle Team- oder Einzelsitzungen mit Ihren Key Account Managern der letzten Zeit. Welche vier oder fünf Prinzipien erfolgreichen Remote Sales Leaderships könne Sie daraus für sich selbst ableiten?
  • Bin ich selbst fit genug, um auch virtuell Vertrauen aufzubauen, Orientierung zu geben und Menschen zu erreichen? Worauf sollte ich achten, um selbst professionell über den Bildschirm rüberzukommen?

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Quellen

  • Folkman, J. (29. Juli 2020). Do You Know How To Lead A Team Virtually? 6 Tips To Shorten The Distance. https://zengerfolkman.com/articles/do-you-know-how-to-lead-a-team-virtually-6-tips-to-shorten-the-distance/. Zugegriffen am 13. September 2020.
  • Müllner, M.; Müllner, C. (2020). Leadership Y: Prinzipien emotionaler Intelligenz für Manager. Hamburg: Tredition.
  • Müllner, M.; Müllner, C. (2021). Emotional intelligent führen: Authentisch, motivierend, wirksam, 2. Auflage. Frankfurt: Springer Gabler.