Bossing wirkt schnell. Coaching wirkt nachhaltig. Wie sollte man als Geschäftsführerin oder Vertriebsleiter Key Account Manager führen? Genauso wie Verkäufer? Nein, sagen wir in unserem Impulsartikel, der die wesentlichen Zusammenhänge erfolgreicher Vertriebsführung mit Blick auf das Key Account Management beleuchtet.
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Führungsansätze für das Key Account Management
Das Führen von Key Account Managern setzt ein Verständnis über die zwei grundsätzlichen Ansätze der Motivation voraus: Intrinsisch und extrinsisch (Müllner/Belz/Zupancic 2021). Intrinsisch meint «aus sich selbst von innen herauskommend» bzw. «etwas seiner selbst willen tun». Extrinsisch bedeutet durch Anreize von aussen. Es gibt die offensichtlich extrinsischen Motivationsmittel wie Gehalt, Bonus oder Geschäftswagenregelung. Aber auch die weniger offensichtlichen wie Anzahl Urlaubstage, kürzere Arbeitszeiten, Flexitime oder das firmeneigene Sportstudio.
Im Prinzip sind alle Instrumente, die einen abnehmenden Grenznutzen für den Mitarbeiter haben, Mittel extrinsischer Motivation. Das heisst: Bei allem, bei dem die Zufriedenheit unterproportional im Vergleich zum Wert der erhaltenen Belohnung verläuft, hat man es auf lange Sicht mit sogenannten «Hygienefaktoren» zu tun. Mitarbeiter gewöhnen sich daran. Und fordern mehr davon. Dies vor allem dann, wenn sie mitbekommen, oder auch nur glauben, einer ihrer Kollegen bekäme mehr davon (Müllner/Müllner 2020).
Tatsächlich ist die Abgrenzung zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation in der Realität nicht so eindeutig, wie es die Begriffe suggerieren (Frey/Osterloh 2000, S. 25). So sprechen in Aussicht gestellte Boni bei denjenigen, die ihren Selbstwert über die Bonushöhe definieren, die sie zu verdienen imstande sind, eine komplexe Motivwelt an, die vielfältige innere Vorgänge anregen.
Für unsere Zwecke macht es daher Sinn, vereinfacht davon auszugehen, dass sich der von uns als «Bossing» bezeichnete, sogenannte transaktionale Führungsansatz, der auf Belohnungs- und Bestrafungspotenziale durch den Vorgesetzten basiert, stärker auf die extrinsische Motivation abzielen. Der von uns als «Coaching» bezeichnete transformationale Führungsansatz zielt hingegen mehr auf die intrinsische Motivation von Key Account Managern.
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Der «Bossing»-Ansatz im Key Account Management
Unter dem «Bossing»-Ansatz verstehen Müllner/Müllner (2021) den in der Führungslehre als transaktional bezeichneten Führungsansatz, der auf der traditionellen ökonomischen Betrachtung des Austauschs fusst: Anbieter bieten Kunden Produkte und Dienstleistungen und tauschen diese gegen Geld oder andere Gegenleistungen der Kunden. Übertragen auf das «Managen von Humanressourcen» bedeutet das: Lohn und Gratifikationen gegen Arbeitsleistung. Tadel, Abmahnung und gegebenenfalls Kündigung im Austausch mit schlechter Arbeitsleistung.
Diese Sichtweise findet sich auch heute noch in vielen klassischen Vertriebsorganisationen: Beim international erfolgreichen Befestigungs- und Montagetechnik-Händler Würth fahren noch immer die Verkäufer mit den höchsten Umsätzen die schicksten Dienstwägen (Müllner/Belz/Zupancic 2020).
Der «Coaching»-Ansatz im Key Account Management
Der als transformationaler Führungsstil bekannte «Coaching»-Ansatz zielt auf Mitarbeiter, die sich einer Sache (von innen heraus) verpflichtet fühlen, sich für ihre Sache, z.B. ihren Schlüsselkunden, einsetzen und die berühmte Extrameile gehen, mitdenken und ein Verantwortungsgefühl für ihre Sache entwickeln und selbst danach streben, sich weiterzuentwickeln. Dies setzt eine andere Art von Führung voraus als die oben beschriebene, auf Transaktion bezogene und häufig sich auf die blosse Weisungsbefugnis berufene Art der Führung.
Unserer Überzeugung nach geht es in der heutigen Vertriebswelt vor allem darum, Key Account Manager mitzunehmen, mit dem Sinn und Zweck des Unternehmens zu verbinden und sie kontinuierlich zu befähigen. Dafür können sich Geschäftsleitung und Vertriebsführungskräfte kaum auf ihre disziplinarische Weisungsbefugnis allein berufen. Vielmehr sollten sie durch ein vorbildhaftes Handeln ihre Mitarbeiter dazu bewegen, sich der gemeinsamen Sache verpflichtet zu fühlen. Ihre Begeisterungsfähigkeit kann Key Account Manager dazu animieren sich voll und ganz einzusetzen. Ihre spürbare Bereitschaft Key Account Manager weiterentwickeln zu wollen, stärkt deren Wunsch, sich aus der Komfortzone zu bewegen, auf Neues einzulassen und sich neue Fähigkeiten anzueignen. Diese Art der Führung hat mit den persönlichen Eigenschaften der Vertriebsleitung zu tun.
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Situativ den richtigen Mix finden
Wenn es um die wirkungsvolle Führung von Key Account Managern geht, sollte man transaktionale gegenüber transformationaler Führung ebenso wenig schwarz-weiss sehen wie die extrinsische gegenüber der intrinsischen Motivation. Es geht für Key Account Management-Verantwortliche darum, den richtigen Mix an Führungsinstrumenten und -stilen zu finden.
Determinanten zur Bestimmung des geeigneten Mix sind (Belz/Müllner/Zupancic 2021):
- Konkrete Situation: In einer Krise braucht es oft schnelle, klare Anweisungen, wie mit wichtigen Kunden umzugehen ist, was für transaktionale Führungselement spricht. Auch bedingen kundenspezifische Verkaufsförderungsaktionen gegen Geschäftsjahresende, wie der Anspruch die Sell-In-Zahlen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erhöhen oder bis zu einem bestimmten Zeitpunkt Preiserhöhungen bei Key Accounts durchzusetzen tendenziell mehr transaktionale Führungselemente des Bossing-Ansatzes wie Vorgaben und Kontrollen.
- Unternehmenskultur: Die Unternehmenskultur spielt auch in der Führung des Vertriebs eine wichtige Rolle. Im oben angesprochen Beispiel Würth oder bei traditionellen deutschen Grossunternehmen mögen transaktionale Führungselemente besser passen als bei einem Unternehmen mit einer ausgeprägten Start-Up-, Shared-Economy- oder Shared-Leadership-Kultur.
- Persönlichkeit des Führenden: Authentizität ist für den Aufbau von Vertrauen wesentlich. Wenngleich unterschiedliche Situationen eine Anpassung des Führungsstils erfordern, macht es daher wenig Sinn, sich zu verstellen oder mit seinem Führungsverhalten die eigenen Werte und Überzeugungen zu verraten.
- Persönlichkeit der Key Account Manager: Menschen ticken unterschiedlich. Dies gilt auch für Key Account Manager. Bei Key Account Managern vom Typ „Korrekte“, mit einem hohen Grad an Selbstdisziplin und Zuverlässigkeit, braucht es vielleicht ein anderes Mischungsverhältnis von transaktionalen und transformationalen Führungselementen als bei Key Account Managern, die dem Typus „Begeisterer“ entsprechen. Und Key Account Manager, die sich als „Hardseller“ begreifen, sollten anders angeleitet und motiviert werden als Key Account Manager vom Typ „Kümmerer“ (Müllner/Müllner 2021).
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Im Zweifel: «Coaching» statt «Bossing»
Grundsätzlich neigen wir zur Empfehlung Key Account Manager tendenziell transformationaler zu führen (mehr «Coaching» als «Bossing») als andere Vertriebsmitarbeiter. Dies begründen wir mit ihrer erfahrungsgemäss hohen Eigenmotivation, ihrem starken Willen zur Mitgestaltung und der damit einhergehenden Notwendigkeit Key Account Managern Freiräume einzuräumen.
Unsere eigenen Vertriebsleitungserfahrungen wie auch die Rückmeldung einer Vielzahl der von uns gecoachten Vertriebsführungskräfte zeigten, dass andere Mitarbeiter des Vertriebs durchaus mehr transaktionale Führungsinstrumente vertragen. So erwarten viele Verkaufsinnendienstmitarbeiter klarere Ansagen und Vorgaben. Vertriebsführungskräfte sind daher gut beraten, die bei der Führung dieser Mitarbeiter auch Aspekte eines normativen oder direktiven Führungsstils zu nutzen. Dies gilt mit gewissen Einschränkungen auch für viele Aussendienstmitarbeiter im Flächenvertrieb. Zwar schätzen auch sie erfahrungsgemäss ihre Freiheit. Doch zeigen unsere eigenen Erfahrungen, dass gewisse Aspekte der transaktionalen Führung («Bossing»), insbesondere quantitative Vorgaben für Besuche oder die Kontrolle von Cold Calling Aktivitäten die Effektivität des Gebietsaussendiensts häufig verbessern.
Selbstreflexion: Entwickeln Sie Ihre eigenen Gedanken zur Führung Ihrer Key Account Manager:
- Welchen Typ Mensch zieht es in unserem Unternehmen ins Key Account Management?
- Welche «Coaching»-Ansätze liegen mir? Und wie kann ich die künftig noch stärker nutzen?
- Unter welchen Bedingungen sollte ich ein kurzfristig wirkendes «Bossing»-Verhalten an den Tag legen? Welches Risiko gehe ich damit im Hinblick auf eine nachhaltige Demotivation ein?
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Quellen
- Belz, Ch.; Müllner, M.; Zupancic, D. (2021): Spitzenleistungen im Key Account Management – Das St. Galler KAM-Konzept, 4. Auflage, München: Vahlen.
- Frey, B. S./Osterloh, M. (2000): Motivation – der zwiespältige Produktionsfaktor. in: Frey, B. S./Osterloh, M. (Hg.): Managing Motivation, Wiesbaden, S. 20–42.
- Müllner, M.; Müllner, C. (2020). Leadership Y: Prinzipien emotionaler Intelligenz für Manager. Hamburg: Tredition.
- Müllner, M.; Müllner, C. (2021). Emotional intelligent führen: Authentisch, motivierend, wirksam, 2. Auflage. Frankfurt: Springer Gabler.
Dr. Markus Müllner ist als Management-Dozent an renommierten Weiterbildungsinstitutionen tätig. Er hat verschiedene Führungspositionen in Industrie und Beratung bekleidet. Als Leiter des new spirit Institut St. Gallen in Zürich, berät, trainiert und coacht er Führungskräfte in Strategie-, Führungs- und Vertriebsfragen.