In KMUs und Grossunternehmen werden die Hierarchien zusehends flacher und durchlässiger. Die disziplinarische Weisungsbefugnis verliert damit an Bedeutung. «Laterale» Führung, das Führen ohne Weisungsbefugnis, heisst das neue Zauberwort. Wie aber soll man Projekte, Kollegen und mitunter auch den eigenen Chef führen, wenn einem die formelle Macht und Durchsetzungskraft fehlen? Antwort: Mit dem richtigen Rollenkonzept und dank bewusster Persönlichkeitsentwicklung.
Lassen sich Mitarbeitende durch Kollegen führen?
Ja. Allerdings nur, wenn sie den Sinn und Zweck begreifen. Wenn sie vertrauen und erkennen, welchen Nutzen es für sie selbst und das grosse Ganze hat, einem anderen zu folgen. Nur dann sind sie bereit, auch einmal den Ansprüchen ihres eigenen Chefs zu widerstehen und sich für Ihr Projekt oder Vorhaben einzusetzen. Und nur dann werden Sie sich als Stabstellenleiter, Projektmanager oder Key Account Manager empfinden, nicht als zahnloser Tiger oder Leiter einer Freiwilligen-Organisation.
Ohne Weisungsbefugnis erfolgreich zu führen, braucht besondere Führungsqualitäten. Diese basieren auf Ihrer Persönlichkeit und hängen von Ihrem Verhalten ab. Das gilt im Übrigen nicht nur für Führungssituationen in Unternehmen. Auf dem Sportplatz verhält es sich ähnlich: So folgen Mannschaften häufig einem Kollegen, ohne dass dieser eine Kapitänsbinde trägt. Offensichtlich sind es bestimmte persönliche Kompetenzen, die es uns ermöglichen, auch ohne Weisungsbefugnis Kollegen für uns und unser Projekt zu gewinnen.
Kostenloses Whitepaper: Der Mental Leadership-Ansatz [hier klicken]
Vertrauen, Erfahrung und Vernetzung
Erfahrung, Charisma und emotionale Intelligenz, tragfähige Beziehungen im Unternehmen, Leistungsausweis sowie Zuverlässigkeit steigern die Überzeugungskraft von Menschen, die andere ohne Weisungsbefugnis erfolgreich führen. Deshalb sollten Unternehmen für wichtige Aufgaben und Projekte Personen mit natürlicher Autorität einsetzen, die im Unternehmen gut vernetzt sind und denen es leichtfällt, Vertrauen aufzubauen. Denn nur wenn Vertrauen herrscht, gehen Kollegen in Vorleistung und bringen sich für eine Sache ein. Vertrauen gilt als wichtigste Währung lateral Führender.
Vier Rollen helfen: Involvieren, fordern, fördern und begeistern
Wie sollte man sich verhalten, damit sich bei Kollegen «tun müssen» in «tun wollen» verwandelt? Mit der bewussten Übernahme von vier Rollen, kann es gelingen, Kollegen für eine Sache zu begeistern und von innen heraus zu motivieren.
Seien Sie ein «Connector»: Sorgen Sie für Identifikation!
Schaffen Sie Commitment für sich und Ihr Projekt, in dem Sie dafür sorgen, dass sich ihre Kollegen mit der Aufgabe, dem Projekt, Ihrem Anliegen und ihrer Person identifizieren können! Involvieren Sie sie und verbinden Sie Kollegen untereinander. Denken Sie aber auch daran, Menschen mit den Zielen, der Mission und dem Sinn und Zweck Ihres Projekts oder Vorhabens in Verbindung zu bringen.
Ein tragfähiges Wir-Gefühl erreichen Sie, indem Sie
- bei Projektstart die Wichtigkeit des Projekts für das Unternehmen verdeutlichen
- die Rolle und Aufgabe jedes Einzelnen und die Ziele der Zusammenarbeit allen klarmachen
- glaubwürdig Bereitschaft vermitteln, selbst als erster mit «anzupacken»
- Respekt für jeden Einzelnen aufbringen und von allen Beteiligten einfordern
- Erfolge nicht für sich beanspruchen, sondern allen zusprechen
- sich jederzeit - auch in Zeiten grossen Drucks – integer verhalten, also selbst das tun, was Sie von anderen fordern
Auf diese Weise wird es Ihnen gelingen, Ihre Kollegen zu «verpflichten». Ganz im Sinne eines «einer für alle, alle für einen».
Kostenloses Whitepaper: Der Mental Leadership-Ansatz [hier klicken]
Seien Sie ein «Cheerleader»: Entfachen Sie das Feuer!
Verbreiten Sie eine mitreissende Atmosphäre. Sorgen Sie für gute Stimmung und nutzen Sie die treibende Kraft positiver Emotionen. Denn nur mit Ihrer Begeisterung können Sie ihre Kollegen bewegen. So bringen Sie Energie ins Team. Das schafft die Voraussetzung dafür, dass sich Ihre Kollegen für Ihre Sache voll und ganz einsetzen und die «Extrameile» gehen.
Inspirieren Sie Ihre Kollegen, in dem Sie…
- neben dem Ziel und dem «Warum» auch die Vision erklären, die Sie mit Ihrem Projekt oder Vorhaben anstreben
- zeigen, dass es Ihnen selbst Spass macht, sich mit Haut und Haaren für die Sache einzubringen
- über positive Entwicklungen und erste Erfolge berichten
- die Erfolge auch gebührend feiern
Seien Sie ein «Challenger»: Regen Sie zum Mitdenken an!
Führen Sie mit Fragen! Schaffen Sie eine Atmosphäre, in der der Status Quo hinterfragt wird und ermutigen Sie Ihre Kollegen, neue Ideen und aussergewöhnliche Gedanken einzubringen. Durch diese Challenger-Rolle fördern Sie nicht nur die Problemlösungsfähigkeit ihres Teams, sondern laden ihre Kollegen auch dazu ein, neue Ideen einzubringen und Verantwortung für Ihre gemeinsame Sache zu übernehmen.
Das Mitdenken können Sie begünstigen, in dem Sie
- eine Atmosphäre des produktiven Gedankenaustausches fördern
- Verantwortung übertragen und eine Fehlerkultur zulassen
- selbst aktiv neue Ideen einbringen
- Ihre Kollegen dazu ermutigen, Neues auszuprobieren
Seien Sie ein «Coach»: Stärken Sie Stärken!
Seien Sie sich der Stärken und Motive Ihrer Kollegen bewusst und setzen Sie sie so ein, dass sie sich fachlich und persönlich weiterentwickeln können. Dadurch fördern Sie den Kooperationswillen, die Zufriedenheit und die Freude an Ihrem Projekt.
Als Coach
- beobachten Sie, können zuhören und begreifen, was den Einzelnen motiviert und antreibt
- bemerken Sie, was welchem Kollegen besonders leicht von der Hand geht
- konzentrieren Sie sich auf die Kompetenzen und Potenziale ihrer Kollegen
- tragen Sie dazu bei, das Selbstbewusstsein ihrer Kollegen zu stärken
Kostenloses Whitepaper: Der Mental Leadership-Ansatz [hier klicken]
Entscheiden Sie sich bewusst für Ihre Rolle
Die vier Rollen einer lateralen Führungskraft (Connector, Cheerleader, Challenger und Coach) lassen sich nicht trennscharf voneinander abgrenzen. Im Gegenteil: Sie überschneiden und bedingen sich. So erzielen fordernde Kollegen (Challenger), die andere ohne Weisungsbefugnis führen, leichter Gefolgschaft, wenn sie sich integer verhalten (Connector) und auch einmal unterstützend wirken (Coach). Auch hilft ihnen die positive Ausstrahlung eines Cheerleaders.
Bleiben Sie dennoch glaubwürdig und bluffen Sie nicht! Wenn Sie andere ohne Weisungsbefugnis erfolgreich führen möchten, sollten Sie sich fragen, welche der vier Rollen ihnen persönlich am ehesten entspricht und versuchen dort anzusetzen. Dabei sollten Sie aber auch die jeweilige Situation, in der sich das Team befindet, berücksichtigen.
Kurze Checkliste zur Selbstreflektion
Machen Sie sich klar:
- Welche der vier Rollen liegt Ihnen am besten?
- Welche passen zu Ihnen?
- Bei welcher der vier Rollen erkennen Sie für sich noch Entwicklungspotenzial?
- Was können Sie tun, um sich entsprechend weiterzuentwickeln?
Reflektieren Sie ihr eigenes Denken und Handeln! Holen Sie die Einschätzung von Kollegen und Mitarbeitern ein! Mit dem Abgleich zwischen Fremd- und Selbstbild steigern Sie nebenbei auch ihre Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung – mithin eine entscheidende Fähigkeit emotional intelligenten Verhaltens.
Caroline Müllner ist als Führungsdozentin an renommierten Weiterbildungsinstitutionen tätig und leitet das new spirit Institut St. Gallen in Zürich. Sie war viele Jahre in führenden Positionen in Industrie und im Dienstleistungsbereich tätig. Heute berät, trainiert und coacht sie Manager und Managerinnen in Führungsfragen.