Woher bekommen Mitarbeiter Energie, um Dinge umzusetzen? Neurologischen Erkenntnissen zufolge ist innerer Antrieb eng mit positiven Emotionen wie Freude, Neugierde oder Lust verbunden. Diese führen zur Ausschüttung von Hormonen wie Dopamin oder Opioiden (Seligman 2015). Positive Emotionen resultieren aus der Befriedigung von fünf psychologischen Grundbedürfnissen: Lustgewinn, Bindung, Selbstwert, Orientierung und Kohärenz (Mourlane 2015; Grawe 2007). Die nachfolgende Abbildung enthält vertiefende Ausführungen zu den fünf Grundbedürfnissen. Sie als Führungskraft können mit Ihrem Verhalten maßgeblich zu deren Erfüllung beitragen, was sich positiv auf die Leistung Ihrer Mitarbeiter auswirkt: Empfinden Menschen positive Emotionen, sind sie offener, kreativer, selbstbewusster, optimistischer und selbstwirksamer (Fredrickson 2011).


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Zwei umfangreiche Untersuchungen namhafter Institutionen haben gezeigt, dass dies auch im beruflichen Umfeld gilt. So hat eine internationale Studie des Personalvermittlers Korn Ferry, die 2016 in 55 Ländern durchgeführt wurde, ergeben, dass die besten Führungskräfte diejenigen sind, deren „emotionale und soziale Kompetenz am stärksten ausgeprägt ist” (Krebs 2016). Eine von der Bertelsmann-Stiftung in Auftrag gegebenen Studie hat den Zusammenhang zwischen Führung, Gesundheit und Resilienz untersucht. Ergebnis: Ein emotional intelligenter Führungsstil wirkt sich positiv auf die Zufriedenheit, die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit von Mitarbeitern aus (Mourlane et al. 2013).
Psychologische Grundbedürfnisse

Psychologische Grundbedürfnisse

Lustgewinn: Im Job Freude empfinden

Menschen fühlen sich angezogen von dem, was ihnen Spaß und Freude verspricht. Hingegen meiden sie, was ihnen Unlust, Langeweile oder Schmerz bringt. Das intuitive Verlangen nach Lustgewinn führt dazu, dass wir unbewusst alles, was uns begegnet oder was wir erleben, in die Kategorien „gut“ oder „schlecht“ einteilen. Für eine emotional intelligente Führungsarbeit bedeutet dies, dass Sie als Manager sich bewusst damit auseinandersetzen sollten, was Ihren Mitarbeitern Spaß bereitet. Damit beeinflussen Sie deren Hormonhaushalt positiv. Voraussetzung ist eine angenehme Stimmung im Team. Dazu gehören eine gewisse Leichtigkeit und Balance zwischen Anstrengung, Gewissenhaftigkeit und Lockerheit. Daneben schafft das bewusste Sich-auf-andere-einlassen eine Atmosphäre von Wertschätzung und Spaß. Passen Sie Aufgaben, die Sie Mitarbeitern übertragen, deren Stärken an. Auch greifbare Aspekte wie die Ausstattung der Arbeitsplätze mit modernen Arbeitsmitteln können motivierend wirken. Für Sie als Führungskraft bedeutet dies, öfter loszulassen und auch einmal fünf gerade sein zu lassen. Andererseits wird es für Sie mitunter zeitintensiv, Ihr Interesse an Ihren Mitarbeitern dadurch zum Ausdruck zu bringen, dass Sie im Gespräch mit ihnen richtig bei der Sache sind und ihnen aktiv zuhören. Selbstverständlich gibt es in einem Unternehmen Grenzen der Befriedigung des psychologischen Grundbedürfnisses nach Lustgewinn und Unlustvermeidung. So gibt es vermutlich in jedem Job Dinge, die nicht nur Spaß bringen. Auch ist Stillstand aufgrund eines Verharrens in der Komfortzone keine Option. Die Frage der langfristigen Wirtschaftlichkeit darf keinesfalls aus dem Blick geraten.
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Bindung: Identifikation erfahren

Menschen sind Herdentiere, die engen Kontakt zu anderen benötigen. Nur durch die auf Bindung basierende Kooperation mit anderen hat sich der Mensch im Verlauf der Evolution gegen Feinde durchsetzen können. Noch heute geben uns Zeit mit der Familie und mit Freunden oder mit Menschen, zu denen wir eine gute Beziehung aufgebaut haben, Antrieb. Identifikation mit einer Sache, einer Aufgabe, der Mission, den Werten des Unternehmens oder mit einem Team, schafft Bindung. Dazu bedarf es eines regelmäßigen Austauschs zwischen Führungskräften und Mitarbeitern und einer teilweise engen und damit zeitaufwändigen Führung. Manchmal reichen auch ein offenes Ohr oder echtes Interesse an der Person des Mitarbeiters. Teamerfolge gilt es zu feiern, denn Feiern stärkt das Teamgefühl. Doch der Aufbau einer Teamidentität basiert in erster Linie auf gemeinsamen Werten und gemeinsamen (Erfolgs-) Erlebnissen. Deshalb bauen Vorgesetzte das fürs Bindungsempfinden so wichtige Vertrauen dann auf, wenn sie sich in schwierigen Situationen vor ihr Team und einzelne Mitarbeiter stellen. Grenzen der Bindung bilden das Distanzbedürfnis einzelner Mitarbeiter und die Wahrung der Privatsphäre. Auch gilt es, die individuelle Trennungslinie zwischen Arbeit und Freizeit eines jeden Mitarbeiters zu akzeptieren.

Selbstwert: Sich als wertvoll empfinden

Da wir im Laufe der Evolution stets auf andere angewiesen waren, ist es uns wichtig, von anderen als kompetent und wertvoll angesehen zu werden. Nur so können wir uns sicher sein, in der Gemeinschaft akzeptiert zu werden. Als hilflose Kleinkinder konnten wir dies nicht aus eigener Kraft schaffen. Dem Individualpsychologen Alfred Adler zufolge hat sich daher in frühester Kindheit ein gewisses Minderwertigkeitsgefühl entwickelt, das wir später durch die Erhöhung unseres Selbstwerts kompensieren (Adler 2008). Führungskräfte, die ihren Mitarbeitern Verantwortung übertragen und sie neue Herausforderungen bewältigen lassen, stärken das Selbstbewusstsein und den Selbstwert ihrer Mitarbeiter. Auch positive Rückmeldungen und Lob sowie ein aufmerksam geführtes, persönliches Gespräch und die zeitnahe Reaktion auf dringende Anfragen kann das Selbstwertgefühl eines Mitarbeiters stärken. Ebenfalls eine wichtige Aufgabe des Vorgesetzten kann der Schutz vor unsachgemäßer Kritik durch andere sein. Bei dezentraler Führung sind der Befriedigung von Selbstwert-Bedürfnissen mitunter gewisse Grenzen gesetzt. Diese können aber auch mit bestimmten Persönlichkeitsausprägungen von Mitarbeitern zu tun haben.

Orientierung: Alles unter Kontrolle haben

Menschen mögen das Gefühl, Dinge unter Kontrolle zu haben. Das gibt ihnen ein Gefühl der Sicherheit und führt zu Selbstwirksamkeit. Selbstwirksamkeit ist ein wichtiges psychologisches Konstrukt. Es entwickelt sich, wenn wir die Überzeugung erlangen, den Lauf der Dinge beeinflussen zu können. Selbstwirksamkeit bildet sich in frühester Kindheit, kann aber auch später noch über eine geeignete mentale Haltung gestärkt werden. Selbstwirksamkeit hilft, nicht in einer Opferhaltung zu erstarren, wenn die Dinge einmal nicht so laufen, wie man es gerne hätte. Für ein zielgerichtetes Handeln bedeutet dies, dass sich Mitarbeiter im Fahrersitz fühlen sollten. Als emotional intelligente Führungskraft können Sie ihnen helfen, ein Gefühl für den persönlichen Einfluss zu entwickeln. Das heißt, Sie nehmen den Mitarbeitern nicht genau das ab, was diese für ihre Weiterentwicklung brauchen, beispielsweise selbst zu entscheiden und Verantwortung zu übernehmen. Regelmäßige klare Kommunikation dessen, was Sie sich von einem Mitarbeiter erwarten, stärkt dessen Gefühl der Orientierung. Ebenso der Einbezug der Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse oder das gemeinsame Erarbeiten und Festhalten an einem Mitarbeiter-Entwicklungsplan. Grenzen der Befriedigung des Bedürfnisses nach Orientierung und Kontrolle können sich durch abrupte und kaum vorhersehbare Prioritätenänderungen ergeben.
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Kohärenz: Den Sinn verstehen

Das, was wir tun, muss für uns Menschen einen Sinn ergeben. Wir mögen es, sinnvolle Tätigkeiten zu verrichten und für Dinge einzustehen und eingesetzt zu werden, die wir als sinnvoll erachten. Als emotional intelligente Führungskraft geben Sie Ihren Mitarbeitern ein Gefühl für das große Ganze. Voraussetzung hierfür ist, dass Sie selbst den Sinn und Zweck einer Maßnahme als Teil des großen Ganzen verstehen. Nur so ist es Ihnen möglich, Ihren Mitarbeitern zu vermitteln, welchen Beitrag diese zum Unternehmenserfolg leisten. Nehmen Mitarbeiter wahr, dass sie für das Unternehmen oder für ein Projekt wichtig sind, schafft das in vielen Fällen Sinn. Das Aufzeigen von Zusammenhängen ist von großer Bedeutung und kann die Führungskraft vor allem in Krisensituationen viel Zeit und Energie kosten. Dies vor allem, wenn in schwierigen Zeiten die Kunst gefragt ist, unpopuläre und komplexe Entscheidungen zu vermitteln. Hilfreich kann es sein, das eigene Gespür für Märkte, Kunden und Geschäftsmodelle zu schärfen, um Mitarbeitern die wesentlichen Zusammenhänge für den Mehrwert, zu dem sie mit ihrer Leistung beitragen, zu vermitteln. Idealerweise ist dieses Sinnvermitteln auf die Charaktere unterschiedlicher Persönlichkeiten abgestimmt. Die Befriedigung des Bedürfnisses nach Sinn und Kohärenz durch die Führungskraft hat Grenzen. Zum Beispiel, weil Führungskräfte oft selbst darunter leiden, Dinge tun zu müssen, die gegen ihre Überzeugung sind. Deren Sinn zu vermitteln, kann die Authentizität der Führungskraft in Frage stellen und ihr bezüglich der Vorbildrolle schaden. Daher gehört es unserer Meinung nach zu einem emotional intelligenten Führen sich auch der Grenzen der Sinnhaftigkeit bewusst zu sein.

Selbstreflexion: Analyse Ihres eigenen Führungsstils

Wie emotional intelligent führen Sie bereits? Bitte reflektieren Sie folgende Fragen:
  • Welche Maßnahmen unternehmen Sie, um ihren Mitarbeitern Orientierung und ein Gefühl von Kontrolle zu geben, ihren Selbstwert zu fördern, Lust und Spaß an der Arbeit zu haben sowie ihr Bedürfnis nach Bindung und Kohärenz zu befriedigen?
  • In welchen dieser fünf Bereiche emotional intelligenter Führung könnten Sie sich noch weiterentwickeln?
  • Welches Verhalten sollten Sie in diesen Bereichen an den Tag legen?

Quellen

  • Adler, A. (2008). Menschenkenntnis. Köln: Anaconda -Verlag.
  • Fredrickson, B. (2011). Die Macht der guten Gefühle: Wie eine positive Haltung Ihr Leben dauerhaft verändert. Frankfurt a. M.: Campus-Verlag.
  • Grawe, K. (2007). Neuropsychotherapy: How the Neurosciences Inform Effective Psychotherapy. New York: Psychology Press.
  • Krebs, J. (08. März 2016). Studie beweist: Frauen sind sozialer und emotionaler – und deshalb auch die besseren Chefs. Aargauer Zeitung, o. S.
  • Mourlane, D., Hollmann, D., & Trumpold, K. (2013). Studie „Führung, Gesundheit & Resilienz“. Bertelsmann Stiftung, Gütersloh & mourlane management consultants, Frankfurt am Main.
  • Müllner, M.; Müllner, C. (2021). Emotional intelligent führen: Authentisch, motivierend, wirksam, 2. Auflage. Frankfurt: Springer Gabler.
  • Seligman, M. (2015). Wie wir aufblühen: Die fünf Säulen des persönlichen Wohlbefindens. 4. Auflage. München: Wilhelm Goldmann Verlag.

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